OLDIES
CDs
|
NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
von Franz
Schöler
Franz Schöler ist seit über 40
Jahren aufmerksamer Be-
obachter der Musikszene. In
STEREO kommentiert er neu
erschienene Aufnahmen der
Rock- und Popgeschichte.
Robert Palmer
SNEAKIN’ SALLY THROUGH THE
ALLEY/PRESSURE DROP
Edsel
2
CDs (
96
’)________ (p)
1974/76
REPERTOIREWERT
SOME PEOPLE CAN DO WHAT THEY
LIKE/DOUBLE FUN
Edsel
2
CDs (
74
’)________ (p)
1976/78
REPERTOIREWERT
SECRETS/CLUES /M AYBE IT’S LIVE
Edsel
2
CDs (
120
’)________(p)
1979
/
80/82
REPERTOIREWERT
PRIDE/RIPTIDE
Edsel
2
CDs (
147
’)________(p)
1983/85
REPERTOIREWERT
ÜBERSPIELQUALITÄT(alle) ★
Nach weniger erfolgreichen Anfän-
gen mit Bands wie Vinegar Joe mu-
tierte Robert Palmer solo eine Zeit
lang zum Richard Gere des blue-
eyed soul, um Mitte der 1980er Jah-
re zum Popstar zu avancieren. Für
das Debüt versicherte er sich der
Dienste von Allen Toussaint und
Little Feat. Das enthielt neben „Sai-
lin’ Shoes“ das mit Lowell George
komponierte „Blackmail“. Die Zu-
sammenarbeit setzte er bei op. 2
fort, für welches er „Trouble“ auf-
nahm. Zu den Sessions in New York
wurden unter anderen die Meters
aus New Orleans und die Muscle
Shoals Horns eingeladen. Das Er-
gebnis war eine geglückte Mi-
schung aus Funk und Rhythm &
Blues, Soul, Rock und
Reggae. (Bei der Cover-
version von „Pressure
Drop“ beliebte der Pia-
nist zwischendurch mal
in Jazz-Gefilde abzusch-
weifen.)
Obwohl ebenfalls bril-
lant produziert, wurde
„Give Me An Inch“ mit
den verschwenderisch
arrangierten Streichern
nicht sofort ein Hit. Die
stellten sich erst mit den Coverver-
sionen von „Every Kinda People“
und „Bad Case Of Loving You“ ein.
Millionenfach verkauften sich spä-
ter „Addicted To Love“, „I Didn’t
Mean To Turn You On“ und „Simply
Irresistible“. Die meisten Zugaben
bei diesen Remaster-Ausgaben fin-
det man denn auch auf dem letzten
Doppel-Set.
Chris Blackwell behielt Recht:
Das viele Geld, das er in „Sneakin’
Sally Through The Alley“ - mit völ-
lig überzogenem Budget das teu-
erste Album in der Geschichte von
Island Records, wie die Liner Notes
verraten! - investiert hatte, zahlte
sich am Ende doch noch aus.
OLDIE DES
MONATS
John M artyn
THE ISLAND YEARS
Island
17
CDs (
1
.
184
') + DVD,
Preis: zirka
180
Euro
REPERTOIREWERT
ÜBERSPIELQUALITÄT ★
“ ★
Neben spottbilligen Offerten wie
kürzlich den kompletten Repri-
se-Aufnahmen von Ry Cooder fin-
den teure Luxus-Editionen wie
die von Sandy Denny oder die V i-
nyl-Sets von Nick Drake so vie-
le geneigte Liebhaber, dass sie
in kurzer Zeit ausverkauft sind.
Um solch eine limitiert aufgeleg-
te Ausgabe handelt es sich auch
bei John Martyns „The Island Ye-
ars“, bei der zunächst selbst Fans
grübeln dürften, ob das bei die-
sem Preis tatsächlich „an offer
you can’t refuse“ ist. Denn wer
diese Kultfigur sehr schätzt, be-
kam ja vor fünf Jahren mit „Ain’t
No Saint“ eine höchst sachkun-
dig ausgewählte Best-of-Retros-
pektive auf vier CDs. Für Fans
gibt es die bekannten Meis-
terwerke wie „Solid Air“ oder
„Grace And Danger“ längst in
Deluxe-Ausgaben, die in der
Regel zu derselben Zeit ent-
standene Studio-Outtakes und
Live-Mitschnitte als Zugaben zum
tieferen Verständnis dieser Schaf-
fensperiode bieten.
Darüber hinaus durfte der für
das Box-Set-Projekt verantwortli-
che John Hillarby sich nun an einer
historisch-kritisch kommentierten
Gesamtausgabe aller für die Plat-
tenfirma produzierten Aufnahmen
versuchen. Was Bewunderer faszi-
nieren dürfte, ist die Fülle des erst-
mals versammelten, bislang im Ar-
chiv gehüteten Materials. (Das hat
man im Fall des von ihm überaus
bewunderten Kollegen Nick Drake
bislang immer über seine CDs bzw.
eigene Sets verteilt öffentlich ge-
macht.) So findet man hier kom-
plette LPs wie „The Apprentice“
im seinerzeit nicht veröffentlichten
Urmix, von Island Records damals
als hoffnungslos unkommerziell
gesehen. Und das, obwohl Chris
Blackwell John-Martyn-Fan der ers-
ten Stunde war und ihm von Be-
ginn an alle denkbaren künstleri-
schen Freiheiten einräumte!
Einige der hier erstmals zu hö-
renden Konzerte provozierten fast
reflexartig bei manchen Kritikern
die Behauptung, John Martyn live
sei eben der noch eindrucksvollere
Künstler gewesen. Was selbst glü-
hende Bewunderer des Mannes,
die den - notorisch von Alkohol-
und Drogenproblemen geplagt -
bisweilen völlig neben der Spur bei
Konzerten erlebten, eher sarkas-
tisch sehen dürften. Seinen nach-
mals gerühmten „Live At Leeds“-
Mitschnitt mit ihm in Hochform
musste er 1975 bekanntlich qua-
si im Eigenverlag veröffentlichen.
Island war da nur für den Vertrieb
zuständig, den er selbst aber auch
per Versandhandel von zu Hause
anbot! Die umfangreichen Liner
Notes des LP-formatigen Buchs in
dem Set verschweigen auch sol-
che Details seines heftig beweg-
ten Schaffens nicht.
P atty G riffin
SILVER BELL
A&M
CD (auch als LP erhältlich)
(
59
’)
REPERTOIREWERT
ÜBERSPIELQUALITÄT ★
Nach „Living With Ghosts“ (mehr
eine Demo-Kollektion) und „Fla-
ming Red“, das schon richtig pro-
duziert war und wo Kolleg(inn)en
wie Emmylou Harris und das Ehe-
paar Miller assistierten, hatte Pat-
ty Griffin nach den Aufnahmen zu
ihrem dritten Album entschieden,
die Plattenfirma zu wechseln. A & M
Records verbannte das fertige op. 3
daraufhin umgehend ins Archiv. Un-
terdrücken konnte man damit aber
nicht komplett, was sie im Kings-
way Studio von Daniel Lanois ein-
gespielt hatte. Zwei Songs von „Sil-
ver Bell“ nahmen die Dixie Chicks
für ihren Bestseller „Home“ auf.
Die meisten Stücke zirkulierten -
Ms. Griffin „der“ Geheimtipp für
Kenner - bald auch im Netz. Dort
findet man sie mit etwas Glück im-
mer noch - in den Original-Mixes!
Als die Platte nach dem „Gram-
my“ und all den Kritiker-Hymnen für
ihre letzten beiden Alben endlich
doch noch erscheinen sollte, wurde
sie nämlich von Glyn Johns erst ein-
mal gänzlich neu abgemischt. Zwei
der anderswo schon erschienenen
Songs („Making Pies“ und „Stan-
ding“) ließ man
außen vor. „Litt-
le God“ kommt
jetzt ohne die
Psychedelic-Ver-
zierungen, aber
mit diesen rück-
wärts gespielten
Gitarren am En-
de ähnlich wie bei John Lennons
„Across The Universe“. „Truth # 2 “,
wo Patty nun betörend mit sich sel-
ber im Duett singt, ist jetzt ent-
schieden mehr pure Folk Music,
aber zugleich auch einer ihrer hin-
reißendsten Ohrwürmer überhaupt.
New Wave und Punk Rock näherte
sie sich nie mehr an als bei „Bos-
ton“ und dem Titelsong.
Der Remix rückt die Qualitäten
ihrer Stimme noch direkter in den
Mittelpunkt des musikalischen Ge-
schehens. Die „neue“ Ballade „So
Long“ ist einer jener altmodischen,
noch an Appalachen-Folk erinnern-
den Songs, derentwegen Kollegin
Emmylou Harris sie so bewundert.
Glyn Johns, loben die Liner Notes,
„has breathed some new life in-
to the time capsule known as ,Sil-
ver Bell’”.
134 STEREO 1/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht
vorherige seite 133 Stereo 2014-01 lesen sie online nächste seite 135 Stereo 2014-01 lesen sie online Nach hause Text ein/aus